C02 - nicht nur zum Löschen!
Die Verwendung von Kohlendioxid zur Neutralisation von basischen Stoffen
Zusammenfassung
Neben der Verwendung zur Brandbekämpfung durch Inertisierung (d.h. ,,Verdünnung' des Luftsauerstoffes) und zur Kühlung (als sog. C02-Schnee bzw. Trockeneis) ist Kohlendioxid (C02) als billige und nichtaggressive “Säure” zur Neutralisation alkalischer Stoffe auch im Feuerwehreinsatz geeignet.
Erstaunlicherweise ist Kohlendioxid als Säure doppelt so “wirksam" wie rauchende Salzsäure!
Ein bei der Werkfeuerwehr Bayer Leverkusen vorgehaltener Absetzbehälter mit 4,2
m3 tiefkaltem C02 besitzt theoretisch die gleiche Neutralisationsfähigkeit wie 10 t rauchende Salzsäure
(38 % HCI).
Grundlagen
Wie bereits durch den Trivialnamen ,,Kohlensäure" ausgedrückt, handelt es sich bei Kohlendioxid um eine chemische Verbindung, die in Gegenwart von Wasser als schwache Säure reagiert.
D.h. C02 reagiert mit basischen (alkalischen) Stoffen zu den entsprechenden Salzen der Kohlensäure (Carbonate).
Diese chemische Reaktionsfähigkeit ist bei der Brandbekämpfung (im Gegensatz zu Stickstoff oder Argon als wirklich inerte Löschmittel) von Nachteil. So ist bekannt, dass bei Bränden von basischen (alkalischen) Stoffen (z.B. Alkalimetalle, Metall-Hydride) das Löschmittel C02 reaktionsverstärkend und damit brandverstärkend wirkt.
Bei einer “Vernichtung" (d.h. Neutralisation) alkalischer Stoffe wird dieser Nachteil jedoch zum Vorteil.
Will man z.B. Natronlauge (Natriumhydroxid) mit C02 neutralisieren, so verlaufen folgende 2 Reaktionen hintereinander ab:
1) 2 NaOH + C02 ==> Na2CO3 + H20 (pH ca. 11)
2) Na2CO3 + C02 + H20 ==> 2 NaHCO3 (pH ca. 7,5-8)
NaOH + C02 NaHCO3
Die Neutralisation verläuft in 2 Stufen:
Zunächst vom stark Alkalischen (Natronlauge) zum schwach Alkalischen (Natriumcarbonat) und dann durch weitere
C02-Zugabe zum (fast) Neutralen (Natriumhydrogencarbonat; Natrimbicarbonat) mit einem pH-Wert von etwa 7,5-8.
Durch weitere C02-Zugabe geht der pH-Wert langsam in den schwachsauren Bereich über.
Dieser letzte Schritt - die Umsetzung von (alkalischer) Carbonatlösung mit
C02 zur neutralen Bicarbonatlösung - wird z.B. bei den sog. ,,Zaubertinten" ausgenützt: Dabei wird eine sehr verdünnte Sodalösung (Natriumcarbonat) mit einem speziellen
Indikator (Thymolphthalein) versetzt.
Dieser Indikator ist im Alkalischen tiefblau gefärbt (Tinte!).
Schüttet man diese Zaubertinte über die weiße Tischdecke oder das weiße Hemd des Gegenübers, so verfärben sich diese tiefblau!
Im Verlauf von einigen Minuten reagiert das C02 der Luft nach der 2. obigen Gleichung mit der Carbonatlösung zur neutralen Hydrogencarbonatlösung. Die Farbe des lndikators wechselt im
pH-Bereich zwischen 10,5 und 9,3 von tiefblau zu farblos. D.h. der ursprünglich tiefblaue Fleck, z.B. auf der Tischdecke, entfärbt sich innerhalb weniger Minuten und ist dann nicht mehr
sichtbar.
Im Gegensatz zur Neutralisation von Basen mit starken Säuren (z.B. Salzsäure, Schwefelsäure) kann man bei der Neutralisation mit C02 eine Übersäuerung, und damit eine eventuelle Schädigung des Bodens bzw. des Grundwassers, ausschließen!
Praktisches Vorgehen
a) Neutralisation von Flüssigkeiten
Man sollte darauf achten, dass eine gute Vermischung der alkalischen Flüssigkeit mit dem zugeführten Kohlendioxid stattfindet. Unter Laborbedingungen funktioniert diese Methode am besten, wenn das C02 durch ein Rohr in die Flüssigkeit eingeleitet wird und gleichzeitig die Flüssigkeit kräftig gerührt wird. Dies wird im praktischen Einsatz natürlich nur bedingt möglich sein. Auf jeden Fall sollte das C02 möglichst tief unterhalb der Oberfläche eingeleitet werden.
Durch einen kräftigen Gasstrom verhindert man ein Rückschlagen der Flüssigkeit in das Einleitungsrohr (evtl. ein Rückschlagventil verwenden!) und erreicht zusätzlich eine ausreichende Durchmischung der alkalischen Flüssigkeit.
Hierbei ist jedoch die sog. ,,Neutralisationswärme" zu beachten!
Darunter ist zu verstehen, dass bei der Neutralisation von Säuren mit Laugen je nach Konzentration eine mehr oder wenige starke Wärmeentwicklung stattfindet. Diese kann u. U. (bei konzentrierten Säuren und Laugen) zu explosionsartigen Verdampfungen und zur Gefährdung von anwesendem Personal führen. So wird der Versuch, z.B. ausgelaufene konzentrierte Schwefelsäure durch Einwerfen von festem Natriumhydroxid zu neutralisieren mit einer heftigen Reaktion und wahrscheinlich dem Ableben des Neutralisierers enden!
Die beschriebene Methode der Neutralisation von alkalischen Flüssigkeiten durch Einleiten von Kohlendioxid sollte für jeden in Frage kommenden Stoff zunächst im Labormaßstab ausprobiert werden. Anschließend übt man dann bei einem praktischen Versuch, unter den entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen, z.B. mit einem C02-Löscher
b) Neutralisation von alkalischen Gasen
Beim Ausbruch von alkalischen Gasen (z.B. Ammoniakgas aus einer defekten Kälteleitung) empfiehlt es sich, das ausströmende Kohlendioxid in möglichst geringer Entfernung zur Ausbruchstelle in die Gaswolke zu bringen.
Neutralisationsfähigkeit
Für 1 kg Natriumhydroxid werden theoretisch zum Neutralisieren benötigt:
-2,5 kg konzentrierte Salzsäure (38 % HCI) oder
-1,2 kg konzentrierte Schwefelsäure (98 % H2S04) oder
-1,1 kg Kohlendioxid!
Erstaunlicherweise ist Kohlendioxid (theoretisch) doppelt so wirksam wie die stark ätzende konzentrierte Salzsäure!
So erfordert 1 m3 verdünnte Natronlauge (NaOH-Lösung), die z.B. 0,4 Gew.% NaOH = 4 kg/m3 enthält und einen pH-Wert von 13 hat, zum Neutralisieren nur 5 kg Kohlendioxid.
Man könnte also mit einem 5 kg-C02-Löscher 1000 Liter dieser alkalischen Lösung (wenigstens theoretisch) neutralisieren!
Neutralisationswärme
Da die Neutralisationswärme von Natriumhydroxid (Natronlauge, NaOH) ungefähr 1.700 kJ/kg » 400 kcal/kg beträgt, erhält man als Überschlagsformel:
Temperaturerhöhung in 0C » 4 x Konzentration an NaOH in %.
D.h. bei einer 1 %igen Natronlauge wird eine Temperaturerhöhung um etwa 4 0C stattfinden, bei einer 10 %igen Natronlauge dagegen um etwa 40 0C!
Bei der Verwendung von C02-Tiefkalt wird diese Neutralisationswärme etwa zu 1/3 bis 1/2 durch die Verdampfungswärme des tiefkalten Kohlendioxids ausgeglichen und kann dadurch beim Einsatz mit alkalischen Stoffen mit Konzentrationen unter 10 % vernachlässigt werden.
Da man im Einsatz das Ende der Neutralisation eh nicht genau feststellen kann und das Kohlendioxid im starken Überschuss (im Vergleich zur Theorie) verwendet wird, tritt dort keine merkliche Temperaturerhöhung bei der Neutralisation auf. Die entstehende Neutralisationswärme wird für das Verdampfen des Kohlendioxids verbraucht.
Schlussbemerkung
Die bei der Brandbekämpfung gelegentlich störend wirkende chemische Reaktionsfähigkeit des Kohlendioxids wird beim oben beschriebenen Verfahren zur schonenden Neutralisation von alkalischen Stoffen ausgenutzt.
D.h. ein u.U. im Tonnenmaßstab vorgehaltenes Feuerlösch-Mittel kann zusätzlich als Neutralisations-Mittel für wässrige Alkalien (Laugen, Amine, Ammoniak) benutzt werden
Dr. Helmuth Herterich
Nachtrag:
Diese Dienstanordnung habe ich 1982 geschrieben. Inzwischen ist dieses Verfahren zur Abwasser-Behandlung eingeführt. Z. B. von der Firma Rießner. Patentierfähig wäre es nicht gewesen: Die Reaktion ist altbekannt.
Siehe auch
http://www.riessner.de/documents/beratung/gd.02.02a_co2-neutralisation-0311.pdf