Ein Alptraum an der französischen Grenze
Jeder von uns hat das schon einmal erlebt:
Du steckst in einer extrem schwierigen Situation. Egal was du machst, es ist verkehrt. Du bist der Situation völlig ausgeliefert. Du schreist verzweifelt -und Gott sei Dank, wirst du wach. Es war nur ein Alptraum!
Für meinen Freund Horst Huck war es kein Alptraum. Es war die Wirklichkeit. Was war dem guten Mann passiert? Er wurde an der Grenze angehalten, angeschrien und durchsucht. Und der Höhepunkt: Nachdem er sich vor einer Gruppe Zöllner nackt ausziehen musste, zog sich einer der Polizisten langsam einen Latex-Handschuh über die rechte Hand und schrie ihn an, er solle sich bücken.
Es war nicht im Kongo oder in Afghanistan: Es war an der Zollgrenzstelle Saint-Louis Autoroute in Basel an der Grenze von der Schweiz nach Frankreich!
Was war geschehen?
Dr. Horst Huck und seine Ehefrau (beide knapp über 70) kamen mit ihrem Mercedes von einem Besuch ihres Sohnes, der in der Schweiz an der ETH forscht, zurück. Sie wollten über die A 35 durch das schöne Elsass in Richtung Heimat fahren. Wahrscheinlich passte das Schema „gutsituiertes älteres Ehepaar in einem Benz“ in das Fahndungsbild „Geldschmuggler“. Und wahrscheinlich war ein Brigadier schlecht gelaunt. Weil er Ärger mit der Ehefrau hatte oder weil er bei der letzten Beförderung wieder einmal übergangen wurde….
Wie auch immer; sie wurden vom Zöllner angehalten und nach zollpflichtigen Waren und größeren Geldmengen befragt. Natürlich verneinten die beiden die Frage. Aber sie mussten aus der Kolonne ausscheren. Das Auto wurde in eine Parkbucht dirigiert. Beide mussten aussteigen und Horst Huck wurde neben seinem Auto von Kopf bis Fuß gründlich abgetastet. Auch seiner Frau erging es nicht anders! Alles unter den neugierigen Blicken der vorbeifahrenden anderen Urlauber.
Der Zöllner entleerte die Handtasche von Frau Huck auf die schmutzige Motorhaube. Horst Huck, der recht ordentlich französisch spricht, war völlig konsterniert und fragte, ob er das mit seinem Handy fotografieren dürfte. Der Anführer der Zöllner, Zoll-Brigadier Herve Legrand, wurde darüber sichtlich wütend und riss Horst Huck die Kamera aus der Hand.
Nun durchsuchte der Zoll-Brigadier den Benz und wurde fündig. Mit dem Schrei „Une arme, une arme!“ sprang er aus dem Auto. Auf dem Rücksitz hatte er ein Elektrokabel gefunden. Etwa armlang und so dick wie eine Salami. Horst Huck hatte es seinem Sohn zur Prüfung ins Labor der ETH mitbringen wollen.
Jetzt ging’s ins Gebäude. Noch bevor die Koffer und die Aktentasche kontrolliert wurden, kam der Höhepunkt der Aktion: Beide mussten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Und dann die Drohung mit dem übergezogenen Latex-Handschuh. Horst Huck wollte mit seinem Anwalt telefonieren und den Vorgesetzten der Zöllner sprechen. Beides wurde lautstark abgelehnt.
Aber dann hörte das Drama plötzlich auf.
Gegen Zahlung von 100 Euro wegen der unerlaubten „Waffe“ sollte das Verfahren eingestellt werden. Die beiden Hucks weigerten sich natürlich, da ihnen keine Schuld bewusst war.
Nach einer erneuten Fahrzeugkontrolle durften die beiden nach über 2 ½ Stunden weiterfahren. Natürlich völlig empört und mit der festen Absicht, sich zu beschweren
So weit, so gut.
Ich kenne und schätze Horst Huck aus meiner Zeit bei der Bayer AG. Ein kompetenter und durch nichts aus der Ruhe zu bringender
Abteilungsleiter. Das Musterbeispiel eines INGENIEURS. Extrem gewissenhaft und loyal.
Unter uns Kollegen gab es damals den Spruch: "1 Huck ist der Grenzwert der Geradlinigkeit“.
So ähnlich wie die Lichtgeschwindigkeit war das praktisch von niemand zu erreichen. Halt ein Grenzwert! Außer von Horst Huck. Wir Kollegen waren schon froh, wenn man bestenfalls auf 0,8 "Huck" kam!
Und wenn es einen Menschen geben sollte, der noch nie bei der Steuererklärung aufgerundet hatte, dann mit Sicherheit Horst Huck!
So ein Typ ist er also. Und dann wird er des Schmuggels verdächtigt, entwürdigend behandelt und muss sich sogar nackt ausziehen!
Es war klar: Er würde sich beschweren! Wie er es den Zöllnern angekündigt hatte. Und so geschah es auch. Was er sich vornimmt, das zieht er durch. Bis zur letzten Patrone!
Schreiben an die Oberzoll-Direktion des Departements, an den Zoll-Attachee der Französischen Botschaft, an den zuständigen Bundestagsabgeordneten und und und…..
Das war Ende September 2012.
Es ging hin und her. Selbst Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Rates, wurde von Horst Huck angeschrieben. Sein Bürovorsteher meldete sich und wollte sich um eine Rehabilitation kümmern.
Horst Huck fuhr nach Berlin und trug die Sache dem französischen Zoll-Attache vor.
Und offensichtlich mit Erfolg:
Im November 2013 -also nach mehr als einem Jahr- kam ein offizielles Schreiben der Zoll-General-Direktion aus Paris-Montreuil: Man schrieb von Versehen, entschuldigte sich in aller Form und berichtete von einem Untersuchungsausschuss und Ermahnung des Zöllners und der Regional-Direktion Mulhouse.
Aber der Brigadier M. Legrand hatte noch einen Pfeil im Köcher.
Mitte April 2015, fast 3 Jahre (!) nach dem Vorfall an der Grenze, klingelte bei Horst Huck der Briefträger: Ein Einschreiben mit der Eröffnung eines Gerichtsverfahrens wegen Beamtenbeleidigung und unerlaubten Waffenbesitzes. Der Zöllner hatte den Spieß umgedreht! Horst Huck soll nicht nur einen Gummi-Knüppel im Auto gehabt haben; er soll auch den Zoll-Brigadier mit Sprüchen wie "Stasi-Methoden!" beleidigt haben. Was Horst Huck entrüstet von sich weist. Dies wäre nicht sein Wortschatz, wenn man auch als Außenstehender eine gewisse Ähnlichkeit der Kontrolle nicht absprechen kann.
Die Rechtschutz-Versicherung von Horst Huck reagierte nach der bekannten Devise: „Im Schadenfall erlischt der Versicherungs-Schutz“: Denn natürlich springt die Versicherung bei vorsätzlichen Vergehen wie Beamtenbeleidigung und Waffenbesitz nicht ein.
Horst Huck suchte sich auf eigene Kosten einen Anwalt in Straßburg, Maitre Feuerbach, und hoffte, dass bei der Verhandlung im Juni 2015 der Richter das Spiel des Zöllners durchschaut. Und dass er mit einem Vergleich -wie auch immer- davonkommt.
Aber leider ist man "auf hoher See und vor Gericht in Gottes Hand": Horst Huck verlor den Prozess.
Und ging natürlich in die nächste (und oberste) Instanz.
Die ganze Geschichte erinnert einen fast an den Kleist’schen Michael Kohlhaas, der wegen zwei Pferden zum Outlaw wurde. Zum Outlaw wird Horst Huck natürlich nicht. Selbst wenn er verurteilt werden sollte. Aber sein Weltbild über Gerechtigkeit in der Demokratie hat einen Sprung bekommen. Und das ist Schade!
Natürlich ist man im Nachhinein ist immer schlauer.
Aber was hatte der gute Horst Huck falsch gemacht?
Wenn man überhaupt annimmt, er hätte eine Chance gegen einen schlechtgelaunten Zoll-Beamten gehabt. Der sich sicher ist, einen Geldschmuggler erwischt zu haben. Und der vor seinen Untergebenen nicht zugeben kann, dass er einen Fehler gemacht hat.
Horst Huck hatte die wichtigste Regel beim Umgang mit der Autorität (Polizei, Zoll, Steuerfandung, und und…) missachtet:
Sichtbaren Respekt vor dem Beamten ausstrahlen!
Der Beamte stellt die Speerspitze der gesamten -durch ihn
repräsentierten- Staatsmacht dar. Er erwartet Achtung und Respekt.
Keine übertriebene Höflichkeit: Das macht erst recht verdächtig!
Wenn man z.B. in den USA von einem Sheriff angehalten wird, darf man nur mit „Yes Sir“ oder „No Sir“ antworten, wenn man gefragt wird. Auf keinen Fall darf man argumentieren oder das Vorgehen des Officers anzweifeln. Drohungen mit einer Beschwerde sind buchstäblich tödlich!
Nachtrag (Stand Januar 2017):
Horst Huck hat in der 2. Instanz -vor dem Cour d'Appel de Colmar (Oktober 2016)- den Prozess gewonnen.
Man kann es kaum glauben:
Der französische Richter hat dem französischen Zöllner und seinen Kameraden die angebliche Beleidigung nicht abgenommen.
Zitat aus dem Urteil:
"Le manque de crédibilité s’étend aux déclarations faites par tous les agents des douanes lors de l’enquête de police sur les propos qu’ils imputent aux intéressés et affecte l’ensemble des témoignages et rapports des agents verbalisateurs sur les propos des intéressés tant avant qu’après la fouille à corps."
"....der Mangel an Glaubwürdigkeit aller beteiligten Zoll-Beamten erstreckt sich nicht nur auf ihre mündlichen sondern auch alle entsprechenden schriftlichen Äußerungen..."
Aber damit war die Sachen beileibe
noch nicht zu Ende.
Nach dem französischem Recht musste Horst Huck einen weiteren (zivilrechtlichen)
Prozess gegen die Zollverwaltung führen: Wegen der Übernahme seiner Prozesskosten von bisher (Stand Dezember 2017) etwa 24.000 Euro.
Die Rechtschutz-Versicherung von Horst Huck weigert sich weiterhin, wegen der Beamten-Beleidigung (auch wenn wenn sie sich als gelogen herausgestellt hat) die Kosten zu
übernehmen.
Und nun das Erstaunliche:
Am 6. 12. 2016 schrieb die französische Zoll-General-Direktion, dass die beteiligten Beamten voll im Einklang mit den Vorschriften und fehlerlos gehandelt hätten. Und damit "kein
Verschulden-keine Verantwortung-keine Kostenübernahme"!
Jetzt musste Horst Huck auf die nächste Instanz des französischen Rechts-Systems hoffen.
A never ending story fürwahr!
2. Nachtrag (Stand Januar 2022 !):
Zu seiner Verteidigung hatte Dr. Huck - wie bereits erwähnt - den Anwalt Jean-Louis Feuerbach beauftragt.
Obwohl Horst Huck vom Cour d’Appel freigesprochen (es wurde festgestellt, dass der Zoll-Beamte gelogen hat und gegen die Europäischen Menschenrechte verstoßen hatte), schaffte es Maitre Feuerbach nicht, dass die Anwaltskosten durch den französischen Staat erstattet wurden.
Maitre Feuerbach präsentierte nun den Hucks seine Rechnung über rund 22.000 €.
Um einen Rechtsstreit zu
vermeiden, zahlte Horst Huck 14.000 EURO (statt der ursprünglich vereinbarten 10.000 €) als Abschlusszahlung.
Dies genügte aber dem Maitre nicht und er verklagte Horst Huck vor dem Cour d’Appel in Colmar auf den fehlenden Betrag plus 5.000 €
„Schmerzensgeld“.
Aber im Urteil vom 6.7.21 sprach ihm das Gericht von seinen angeblichen (Rest-)Forderungen
in Höhe von 18.000 EURO lediglich einen Betrag von 113 (!!) EURO zu.
Und jetzt geht‘s natürlich weiter:
Wie zu erwarten hat Maitre Feuerbach Revision bei der obersten Instanz -beim Cour de Cassation, Paris- eingelegt.
A never ending story fürwahr!
(because a nail was lost, .....)