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„Es wird schon gut gehen“ war die Devise vieler Unternehmen, wenn es um Notfall- und Krisen-Management ging. Bis zum 11. September 2001 ! Doch wie sagte schon Niccolo Machiavelli: „Es ist der gewöhnliche Fehler der Menschen, bei gutem Wetter nicht an den Sturm zu denken“. Und ähnlich wie der Mensch geneigt ist, nicht über sein Testament nachzudenken, verdrängt der (vom Alltagsgeschäft hochbelastete) Unternehmer die geistige Vorbereitung eines Notfalls. Die alte Soldateneinstellung: „Es wird nur die anderen treffen“ hilft nur für den Fall, dass wirklich nichts schief geht!
Dabei ist unser Leben ständig von Risiken und Krisen bedroht. Sowohl für das Individuum als auch für ein Unternehmen gilt das Darwinsche Prinzip vom „survival of the fittest“. Wobei „fit“ nicht „groß und stark“ bedeutet, sondern „den jeweiligen Umständen (also auch einer Notsituation) am besten angepasst“.
Im Folgenden werden Werkzeuge vorgestellt, mit denen auch kleine und mittlere Unternehmen eine Chance haben, ihr Schiff einigermaßen heil durch die Klippen zu steuern.
Das wichtigste Unternehmensziel ist die Erhaltung der eigenen Existenz!
Würden Sie mit einem Kreuzfahrtschiff reisen, auf dem keine Anweisungen und Regeln für einen Notfall festgelegt sind? Auch wenn dieser wenig wahrscheinlich ist? Natürlich nicht!
Auf einem Schiff kann es Störfälle geben; vom Maschinenschaden bis hin zum Zusammenstoß mit einem Eisberg mit dem anschließenden Untergang des Schiffes.
Ähnlich ist es in einem Betrieb oder Werk: Es gibt Menschen, die Fehler machen und Unfälle verursachen. Es gibt gefährliche Stoffe, die unvorhergesehen reagieren können. Es gibt kleine Brände, die zu Großbränden werden können, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt und gelöscht werden. Es gibt Energieausfälle, die zu größeren Störungen führen können, und und und ...
Bei einer unerwünschten Situation nennt man die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß des Eintreffens „Risiko“; bei einer erwünschten Situation wird diese Größe „Chance“ genannt“.
Das Wort „Risiko“ kam erst im 16. Jahrhundert aus Italien nach Deutschland - ursprünglich ein kaufmännischer Terminus, der erst allmählich eine allgemeinere Bedeutung in der Alltagssprache bekam. Unternehmer haben sich seit alters her bemüht, Risiken mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu beherrschen. Als Musterbeispiel gilt die Seeversicherung auf Gegenseitigkeit im Venedig des 14. Jahrhunderts. Die venezianischen Kaufleute verwandelten damals die existenzbedrohenden Risiken ihrer Handelsexpeditionen durch die bloße Aufteilung auf viele Schultern in Kosten der normalen Geschäftstätigkeit, die in die Gewinn- und Verlustrechnung einflossen.
Risiko- und Chancen-Management sind nicht nur zum Steuern eines Unternehmens wichtig, sondern Grundbestandteile unseres täglichen persönlichen Lebens.
Ohne ein erfolgreiches Risiko- und Chancen-Management hätte es der homo sapiens nicht geschafft, in der Evolution den derzeitigen Führungsplatz zu erreichen!
Es ist klar, dass gesetzlichen Anforderungen dabei nur ein Teil des Risiko-Managements sind: Welches Gesetz zwingt Sie, das Rauchen aufzugeben, beim Hochsee-Segeln eine Schwimmweste anzulegen oder ein wertvolles Gemälde gegen Feuer oder Diebstahl zu schützen?
Der Maßstab des „gerade noch tragbaren Risikos“ ist fließend und von vielen Faktoren abhängig:
· Ethik („Darf man das Kind in den Brunnen fallen lassen?“)
· Persönlicher Risikobereitschaft („Wie schützen Sie sich gegen Kometen-Abstürze?“)
· Wirtschaftlichen Überlegungen („Absolute Sicherheit ist unbezahlbar!“)
· Handlungsfähigkeit („Je dicker der Panzer, desto unbeweglicher der Ritter!“)
· Gesetzlichen Regelungen („Was passiert mir, wenn ich erwischt werde?“)
Risk-Management umfasst alle technischen, organisatorischen und juristischen Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Risiken.
Risk-Management ist ein systematischer Prozess, in dem Risiken analysiert und unter optimalen Kosten-Nutzen-Aspekten und Beachtung des unternehmerischen Zieles bewältigt werden.
Dazu gehören
· Risikoanalyse (Erkennung, Quantifizierung, Ursachenanalyse, Bewertung) und
· Risikobewältigung (Alternativen, Entscheidung, Durchführung).
Nur durch das Erkennen der Risiken gelangt man zu Gegenmaßnahmen (und damit zur Verringerung der Risiken). |
Für das hier betrachtete Notfall-Management sind vor allem die folgenden Risiken zu betrachten:
· Betriebsrisiken durch Produktionsanlagen, Verfahren, Lagerung, Einsatz und Transport von (Gefahr-)Stoffen usw. (Eine Nitroglycerin-Fabrik ist gefährlicher als eine Molkerei)
· Schwachstellen im Produktions-/Vertriebsprozess usw. (Der Ausfall eines „Herzstückes“ führt unter Umständen durch monatelangen Produktions-Stillstand zum gesamten Marktverlust)
Es geht um
· Image- und Marktverluste („Feuerlöscher-Fabrik abgebrannt!“)
· Wirtschaftliche Vorteile durch Verhindern von Verlusten („Eine Reederei, die ständig Schiffe verliert, ist schnell bankrott!“)
Eines der wichtigsten Instrumente zum Risk-Management ist ein wirkungsvolles Sicherheits-Management-System.
Bestandteile dieses Systems sind
· Festgelegte Organisations-Strukturen („Jeder weiß, wo‘s lang geht“)
· Interne und externe Vorschriften und Anweisungen zur Prävention und zur Begrenzung von Notfällen („Alles Wichtige ist geregelt, nichts wird improvisiert!“)
· Ein in sich geschlossenes Überprüfungs- und Verbesserungs-System („Jeder hält sich an die Spielregeln“)
Ein solches System stellt - zusammen mit einer systematischen, „fehlerverzeihenden“ (Verfahrens-)Technik und dem Können und Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter („will & skill“) - eine hohe Schutzbarriere gegen die Ausweitung einer zunächst kleinen und unerheblichen Störung zu einer Krise sicher.
Jedem vernünftigen Menschen ist aber klar, dass sich trotz aller vorbeugenden Maßnahmen Störungen und Krisen nicht völlig vermeiden lassen.
Erschwerend dazu kommt folgendes Gesetz:
Je ausgefeilter die (primären) Sicherheitsmaßnahmen sind, desto besser muss die (sekundäre) Gefahrenabwehr organisiert werden! Dies klingt zunächst paradox, ist aber einsichtig, da die aus der Seltenheit dieser
Ereignisse resultierende mangelndeErfahrung kompensiert werden muss! Der Verlauf der Entwicklung einer simplen Betriebsstörung zu einem medienwirksamen „Groß-Ereignis“ ist mit dem Anwachsen einer zunächst mikroskopisch kleinen Krebszelle zu einem lebensbedrohlichen Geschwulst vergleichbar.
Bei jeder Aktion, d. h. bei der gewollten Änderung einer Situation, läuft die folgende Maßnahmenkette ab:
1. Erkennen der Situation („Was ist überhaupt los?“)
2. Erkennen des Problems („Was stimmt nicht? Was stört mich?“)
3. Analyse des Problems („Was ist die Ursache des Problems?“)
4. Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten („Wie kann ich das Problem beseitigen und die Situation bereinigen?“)
5. Abwägung der Vor- und Nachteile („quick and dirty“ oder „perfect, but too late“?)
6. Entscheidung für einen Lösungsweg („Das machen wir!“)
7. Einleitung erster Maßnahmen („Pilotierung / Probeschuss“/ „auf den Busch klopfen“)
8. Durchführung der Aktion („Auf geht‘s!“)
Wie beim Zuknöpfen eines Mantels gilt die erschwerende Regel:
Wenn der 1. Knopf falsch gesetzt ist, wird es
unmöglich, den Mantel richtig zuzuknöpfen, ohne dass man ihn wieder ganz aufknöpfen muss!
Wichtig ist,
· dass die Durchführung der Aktion ständig kontrolliert wird und jede minimale (ungewollte) Situationsänderung erneut nach diesem Regelkreis beurteilt wird,
· und dann am Ende (nach Erreichen des Zieles) im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses die neue Situation ebenfalls ständig neu beurteilt und notfalls verändert wird.
Dabei treten die folgenden Erschwernisse auf:
· Die Mittel für die Durchführung der Aktion sind immer zu knapp und reichen nie aus. Das ist wie im täglichen Leben: Egal wie viel Geld man hat, man hat immer zu wenig!
· Die Analyse der jeweils angetroffenen Situation muss meist inkürzester Zeit durchgeführt werden. Dabei ist es wie bei der Vorbereitung auf eine Prüfung: Die Zeit reicht nie aus! Eines der Parkinsonschen Gesetze lautet: „Zeit ist dehnbar; Jede Arbeit dauert so lange, wie Zeit dafür da ist“.
Das Hauptproblem des Verantwortlichen kann dabei auf zwei entscheidende Fragen zurückgeführt werden:
1. Was ist mein Ziel/mein Auftrag?
2. Wie erreiche ich dieses Ziel optimal (schnellstens/mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln/usw.)?
Dieser Prozess findet nie unter optimalen Bedingungen statt, sondern wie erwähnt meist unter Zeitdruck, Störeinflüssen und Informationsmangel. Und auch unter Angst vor im nachhinein festgestellten Fehlern!
Machen wir uns nichts vor: Die Folgen einer Entscheidung werden unter Umständen in monatelangen Recherchen von echten und auch selbsternannten Experten analysiert und kritisiert. Und dies dann in aller Ruhe, ohne die genannten Erschwernisse und mit dem Wissen um das richtige Ergebnis! Die besten und tapfersten Kämpfer sind die Zuschauer!“
Eine „Null-Fehler-Forderung“ (so sinnvoll sie bei Routine-Vorgängen sein mag) und das Streben nach Absicherung führt durch Entscheidungs-Blockade zur völligen Paralyse des Systems:
Alle Entscheidungen werden an die jeweils nächsthöhere Ebene weitergegeben („Was sollen wir tun, Chef?“), bis sie in der Top-Ebene angelangt
sind. Dort muss man sich zwangsweise um „peanuts“ kümmern und für die systemerhaltenden, strategischen Entscheidungen fehlt dann die Zeit. Das fatale Ende ist vorprogrammiert. (Bürokratismus
führt nach einer gewissen Anlaufzeit zur Erstarrung und damit zum
Zusammenbruch jedes Systems. Lesen Sie doch einmal in den Geschichtsbüchern die Beispiele über den Aufstieg und Niedergang von Imperien!)
Für das INFORMATIONSMANAGEMENT sind abgestufte „Meldeschwellen“ von einer zur nächsten Ebene absolut lebensnotwendig! Sonst erfolgt unweigerlich durch Reizüberflutung eine Überbelastung und letztendlich der Zusammenbruch der obersten Ebene.
Ein Chef mit dem Motto „Ich will alles wissen!“ wird nicht lange überleben. Entweder stirbt er an Überlastung oder er wird überflüssig, da seine Organisation stirbt!
Das A und O ist ein „umgekehrter“ Filtrationsprozess von unten nach oben. Diese Trennung der Spreu vom Weizen nennt man in der Fachsprache Sichten.
Umgekehrt deshalb, weil nur jeweils die größten „Brocken“ durch das Sieb fallen und in die nächsthöhere Ebene gelangen. Dort werden sie nach den Auswahlkriterien dieser Ebene neu bewertet und sortiert. Und neu gesichtet, d. h. die dieser Ebene entsprechende Größe wird abgearbeitet; die größeren (der höheren Ebenen entsprechenden) „Brocken“ werden weitergegeben usw. Am Ende gelangen nur die für die „Top-Ebene“ notwendigen Informationen zur dortigen Entscheidungsfindung an.
Und übrigens: In einem Stab ist der „Sichter“ (d. h. derjenige, der bei jeder eingehenden Information überlegen muss, wer sie bekommt) neben dem Chef der fähigste und wichtigste Mann!
Ähnlich wie das INFORMATIONS-MANAGEMENT muss sich das AKTIONS-MANAGEMENT mit absolut notwendigen „Handlungsfreiräumen“ innerhalb
der einzelnen Ebenen abspielen. Aufgrund der
Zeitverzögerung bei der Weitergabe von Information und Aktion muss in jeder Ebene die Möglichkeit zur sofortigen Situations-Anpassung vorgegeben
(vorgeschrieben!) sein! Und zwar ohne die bereits erwähnte „Null-Fehler-Angst“! Natürlich muss die nächsthöhere Ebene darüber informiert werden!
Für bestimmte (möglicherweise im voraus durchgespielte) Fälle lassen sich durchaus die Handlungsfreiräume jeder Ebene festlegen (ähnlich wie die Unterschriftsberechtigung der einzelnen Hierarchiestufen innerhalb eines Großkonzerns).
Ein weitgehend sicheres System, sowohl der Filtration als auch des Handlungsfreiraumes ist - besonders bei nicht im voraus festlegbaren Situationen
Was heißt das?
Jede Ebene muss sich geistig in die nächsthöhere Ebene versetzen können (und wollen!) und aus dieser gedanklichen Position die jeweils neuen Auswahlkriterien festlegen.
Dafür stellt man sich die Frage: „Wenn ich der Chef wäre, wäre dann diese Information/Aktion für mich notwendig?“
Für diesen geistigen Vorgang sind folgende Voraussetzungen notwendig:
· Phantasie
· Mut (Jede Entscheidung kann falsch oder richtig sein; was passiert mir, wenn sie falsch ist? Will ich überhaupt die Entscheidung treffen?)
· Intelligenz, Kompetenz und Kreativität (Habe ich die Fähigkeit, wie mein Chef zu denken? Kann ich überhaupt die Entscheidung treffen?)
· Ständige Kommunikation von oben nach unten im Vorfeld einer „kritischen“ Situation, damit sich jeder in die Gedankenwelt und die Probleme seines Vorgesetzten (nächsthöhere Ebene) versetzen kann. (Wenn ich die Probleme meines Chefs nicht kenne, kann ich sie auch nicht lösen!)
Beim Militär wird zum Beispiel von einem Kompaniechef die Fähigkeit erwartet, jederzeit die Stelle seines Bataillonskommandeurs, d. h. seines Vorgesetzten einzunehmen und in dessen Sinne weiter zu handeln. D. h. jeder muss - aus dem Steigbügel heraus - sofort (ohne Einarbeitung!) ersetzbar sein! Dies ist sozusagen die Grundvoraussetzung jeder Kriegsführung.
Wenn eine Ebene der Informations- und Aktionskette diese Voraussetzungen für nicht festgelegte Situationen nicht erfüllt, bricht der Informationsfluss nach oben bzw. der Aktionsfluss nach unten ab!
Unfälle, Störfälle, Katastrophen sind die Stoffe, aus denen in unserer heutigen Mediengesellschaft die Nachrichten sind. Nicht der Normalfall ist berichtenswert, sondern die Ausnahme. Neben der eigentlichen Regulierung eines Notfalles (durch direkte Schadensbekämpfung und Begrenzung der Auswirkungen è den Brand löschen) ist das Krisen-Informations-Management (der Umgang mit Behörden und der Öffentlichkeit) von eminenter, oft überlebenswichtiger Notwendigkeit für das Unternehmen.
Übrigens: Im Chinesischen bedeutet Krise das Gleiche wie Chance!
Eine Krise ist der drohende Verlust von Kontrolle über Geschäftsprozesse auf Grund von Störungen (Unfälle, Brände, unter anderem auch öffentliche Reaktionen). Dabei kann die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wesentlich beeinträchtigt werden.
Ein falsches Verhalten im Krisenfall kann den Ruf Ihres Hauses, das Betriebsklima, die Motivation oder den Geschäftserfolg nachhaltig beeinträchtigen. Zum Beispiel können Akzeptanzprobleme bei den Nachbarn Folgeschäden nach sich ziehen, deren Auswirkungen sich erst bei der nächsten Änderungsgenehmigung an einer Anlage unter Umständen recht drastisch bemerkbar machen.
Nach einem Bericht der Wirtschaftswoche Nr. 18/1997 sind von den Betriebsstätten, die einen größeren Schaden hatten
· 28 % innerhalb von 3 Jahren aus dem Geschäft
· 43 % nehmen den Betrieb nie wieder auf
· 6 % werden aufgekauft
· und nur 23 % sind nach 6 Monaten wieder voll betriebsfähig
Krisenmanagement umfasst Aufgaben in der Vorphase, der eigentlichen Krisenphase und der Nachphase einer Krise. Eine der wesentlichen Aufgaben ist dabei die Information und Kommunikation.
Voraussetzungen des Krisenmanagements sind unter anderem
· Prognose von worst case-Entwicklungen (Was wäre, wenn ...?)
· Abstimmung von Krisenplänen (Was kann vorbereitet werden, um die Krise zu bewältigen?)
· Handeln im Fall einer Krise (Was ist zu tun? Was ist in welcher Zeit zu leisten?)
· Rückgewinnung der Kontrolle (Wie kann die Initiative wieder erlangt werden?)
· Lernen aus dem Krisenfall (Was ist gut gelaufen? Was lässt sich verbessern?)
Jedes Krisenmanagement erfordert:
· Das Erstellen eines Krisenmanagement-Planes
· Die Bildung eines Krisenstabes
· Die Bereitstellung der Ressourcen, die für die Bewältigung der Krise nötig sind
· Das Durchführen von Übungen und Simulationen, um die Abläufe des Krisenmanagements zu erlernen
Der Krisenstab/Krisenteam trägt die Entscheidungsverantwortung und hat volle Befugnis vor Ort.
Der Krisenstab besteht in der Regel aus
· Dem Leiter des Teams
· Einem Fachexperten, der technisch/wissenschaftliche Sachfragen bewertet
· Einem juristischen Experten, der in juristischen Sachfragen berät
· Einem PR-Experten, der für die Beobachtung der Medien und deren Information zuständig ist
Bei kleineren Unternehmen besteht das Krisenteam in der Regel nur aus dem Geschäftsführer und - wenn verfügbar - einem Experten.
Das Krisenzentrum ist das zentrale Lagezentrum während einer Krise. Es kann je nach Grad der Krise entweder am Sitz des Unternehmens oder am Ort der Krise eingerichtet werden.
Zur Ausstattung gehören Telefone, Faxgeräte, Diktier- und Aufnahmegeräte, PCs, Stellwände und Flip-Charts.
1. Das Krisen-Management muss kontinuierlich betrieben werden und nicht erst im Krisenfall. Auch hier gilt (wie überall im Leben): Vertrauen ist die Basis von allem!. Das notwendige Vertrauen von Mitarbeitern, Behördenvertretern und Journalisten schafft man nicht auf Knopfdruck, schon gar nicht in der Krise.
2. Wichtig ist, dass im Vorfeld einer Krise entsprechende Strukturen geschaffen und intern bekannt gemacht werden müssen. So ist es absolut notwendig, dass der angesprochene Alarm- undGefahrenabwehrplan immer wieder überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden muss.
3. Eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Krisenbewältigung ist die schnelleInformation der Verantwortlichen.
4. Gute Leute muss man haben: Wie beim Aufstellen eines Orchesters ist die Auswahl der geeigneten Personen, deren Schulung, die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die Vorbereitung auf das „zu spielende Stück“ die Voraussetzung für ein optimales Krisenmanagement.
5. Aufstellen eines geeigneten Alarm- und Gefahrenabwehrplanes: Das ist sozusagen die Partitur des Orchesters! In diesen sind die Meldewege, die Alarmierungen, Ansprechpartner/Stellvertreter, wichtige Telefonnummern, zuständige Behörden, Presse usw. enthalten. Weiterhin müssen die Erreichbarkeit und die Treffpunkte der Krisenbewältiger (rund um die Uhr) festgelegt sein. Auch die Benachrichtigung der Unternehmensleitung (wenn sie mit der Standortleitung sowieso nicht identisch ist) muss unbedingt geregelt sein.
6. Die meisten Fehler werden erfahrungsgemäß in den ersten Stunden einer Krisensituation gemacht. Sie sind in den meisten Fällen nicht oder nur sehr schwierig korrigierbar.
Wenn man nach festgelegten „Spielregeln“ vorgeht - und nicht nach der Devise „schaun wir mal“ - spricht man von einem Management-System. In einem Notfall-Management-System sind
· Strukturen
· Abläufe
· Zuständigkeiten
· Regeln
für mögliche Störungen und Notfälle festgelegt.
Das heißt im Klartext, dass im Falle einer Störung (z. B. bei einem Brand) jeder weiß, was er zu machen hat und es auch macht!
Viele Ereignisse sind komplex und gekoppelt. Kleine Ereignisse können sich - wenn keiner weiß, was er zu machen hat oder wenn die falschen Maßnahmen ergriffen werden - in einer Art Kettenreaktion bis zur Katastrophe hochschaukeln. Wie in dem englischen Sprichwort: „Because a nail was lost, a horse was lost. Because a horse was lost, a battle was lost. Because a battle was lost, a kingdom was lost“.
In der Südsee braucht man nicht nach Eisbergen Ausschau zu halten. Und wo nichts brennen kann, ist ein Feuerlöscher überflüssig.
Es ist auch etwas übertrieben - wie Karl Valentin - im Bergwerk zu wohnen, weil man Angst vor Meteorabstürzen hat. („Mir geht die Sicherheit über die Seltenheit!“)
Um nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, müssen Umfang und Ausstattung des Notfall-Management-Systems auf das vorhandene Risikopotential „maßgeschneidert“ sein.
Außerdem muss die Wirksamkeit des Systems regelmäßig überprüft und gegebenenfalls dem veränderten Risiko angepasst werden.
Das Kind darf nicht in den Brunnen fallen. Natürlich ist es einfacher und besser, den Brunnen abzudecken, als das Kind aus dem Brunnen heraus zu holen. Je angemessener und wirksamer das Notfall-Management-System ist, desto effektiver ist der Schutz vor Verlusten („Loss Control“). Und desto geringer das persönliche Leid und der wirtschaftliche Schaden!
Auch kleine und mittlere Unternehmen brauchen ein klares Konzept für ein Standort-Notfall-Management-System.
Weil dabei Abläufe und Handlungsanweisungen vorgegeben sind, werden bei Störungen und Notfällen in kürzester Zeit auf allen Ebenen angemessene Maßnahmen ergriffen und damit der Schaden klein gehalten.
Jeder weiß, was er zu tun hat. Dadurch wird Schaden verhindert oder zumindest begrenzt.
Das von uns entwickelte Notfall-Management-System für „kleine“ Standorte besteht aus 11 Säulen:
· Standort-Sicherheitszentrale
· Standort-Verantwortlicher
· Alarm- und Gefahrenabwehrplan
· Schulungen/Notfallübungen
· Vorbeugender Brandschutz
· Schadensbekämpfung
· Auffangmöglichkeiten für Schadstoffe/Löschwasser
· Security
· Erste Hilfe
· Meldung von Zwischenfällen
· Analyse von Zwischenfällen
(siehe Anlage)
Der wichtigste Baustein dieses Notfall-Management-Systems ist der Alarm- und Gefahrenabwehrplan. Er ist sozusagen das Handbuch mit den Spielregeln.
In ihm werden spezielle Anweisungen und Informationen für die Fachkräfte des Betriebes im Falle einer Krise zusammengestellt. Kurz, verständlich und übersichtlich regelt er die Alarmierung und die Gefahrenabwehr eines Standortes.
Er beschreibt kurz und übersichtlich unter anderem:
· Was ist gefährlich?
· Wo sind besondere Gefahrenstellen?
· Welche Sicherheitseinrichtungen sind vorhanden?
· Wer ist von wem zu informieren und zu alarmieren?
· Wie ist die Aufgabenverteilung?
· Womit kann geholfen werden?
Dabei muss sichergestellt sein, dass alle notwendigen Abwehrmaßnahmen unverzüglich eingeleitet, koordiniert und dokumentiert werden. Zuständige interne und externe Stellen sind rechtzeitig zu informieren.
Die ersten Maßnahmen im „Ereignisfall“ müssen weitgehend automatisch und nach festen Vorgaben ablaufen.
Im Gegensatz zum Handeln im normalen Betriebsablauf (weitgehend Routine) stellen Notfälle (Brände usw.) an alle Beteiligten neue einzigartige Probleme. Meist kann in einem solchen Fall kaum auf Erfahrungen zurückgegriffen werden und zum anderen ist besonders schnelles Handeln erforderlich.
Nur wenn im Voraus
· der Alarmierungsablauf geregelt wurde
· die benötigten Informationen schnell verfügbar sind
· die Pflichten und die Aufgaben der Beteiligten eindeutig festgelegt wurden
kann im Notfall schnell und richtig gehandelt und damit das Schadensausmaß begrenzt werden.
Die überwiegende Anzahl unserer etwa 200 weltweiten Standorte ist nicht mit den großen deutschen Werken vergleichbar. Deshalb haben wir für kleine und mittlere Werke einen einfachen Muster-Alarm- undGefahrenabwehrplan entwickelt. Sozusagen ein Kochrezept für einen einheitlichen Alarm- und Gefahrenabwehrplan.
Zusätzlich dient der Alarm- und Gefahrenabwehrplan der FelixChemie als Musterbeispiel. Dies ist ein erfundenes Werk mit ein paar Hundert Beschäftigten und nur 5 Gebäuden. Wir haben es nach dem Entdecker des Aspirins „FelixChemie“ genannt.
Die Führungskraft eines Standortes, welche im „Krisenfall“ als verantwortliche Leitung nach innen und außen fungiert, wird im folgenden als Standortleiter vom Dienst bezeichnet.
Zu den Aufgaben des Standortleiters vom Dienst gehört es u. a.
· einen funktionsfähigen Krisenstab zu bilden
· den Einsatz eigener und fremder Kräfte zu koordinieren
· Behörden zu benachrichtigen und zu informieren
· interne und externe Stellen zu verständigen, die noch nicht durch die Alarmzentrale gemäß fester Vorgaben alarmiert wurden
· an externe Stellen (z. B. Behörden, Medien) Auskünfte zu erteilen und Erklärungen abzugeben
· über weitere Maßnahmen zur Krisen-Abwehr zu entscheiden
Die Anforderungen an den Standortleiter vom Dienst sind vielfältig und äußerst anspruchsvoll.
Eventuelle Fehlentscheidungen (die aus der unmittelbaren Sicht durchaus richtig erscheinen können und sich erst im Nachhinein als falsch darstellen) können unter Umständen fatale Auswirkungen sowohl für den Leiter des Standortes als auch für das Ansehen des Standortes bzw. des Unternehmens in der Öffentlichkeit haben. Deshalb werden an mögliche Teilnehmer des oben genannten Dienstes folgende Anforderungen gestellt:
· Erfahrener Manager, der mit der gesamten Problematik des Standortes und der Gefahrenabwehrplanung vertraut ist
· Bei allen Produktionsabteilungen des Standortes bekannte und akzeptierte Führungspersönlichkeit
· Laufende Kontakte zu Medien und Behörden, dadurch Bekanntheits- und Vertrauensbonus
· Auch in extremen (Stress-)Situationen ruhiges und überlegtes Handeln
· Stets im Sinne des Standortleiters denkend und handelnd (gegenseitiges Vertrauen notwendig)
Dabei gilt stets: Je kleiner der Kreis der Beteiligten ist, desto größer die Möglichkeit, Erfahrung im Bewältigen von Krisensituationen zu gewinnen.
Wie z. B. aus den Vorfällen der Vergangenheit ersichtlich war, können Fehler in der Anfangsphase des Krisen-Managements später kaum mehr ausgebügelt werden und schaukeln sich im Gegenteil unter Umständen zu einer Art „Resonanz-Katastrophe“ hoch.
Die Abwicklung eines Krisen-Ereignisses ist mit dem Zuknöpfen eines Mantels vergleichbar: Wird der 1. Knopf ins falsche Loch gesetzt, so sitzen alle anderen Knöpfe ebenfalls falsch.
Neben dem eigentlichen „managen“ der Krise zur akuten Schadensbegrenzung ist eine weitere Hauptaufgabe des Krisen-Managers (unter Umständen mit Hilfe seines Stabes) die Risiko-Kommunikation, d. h. die Übermittlung von Glaubwürdigkeit.
Letztendlich spielen bei der Beurteilung einer Krise durch die Öffentlichkeit (Politiker/Medien) die eigentlich fachlichen Maßnahmen keine entscheidende Rolle, da diese Maßnahmen nur von Fachleuten beurteilt werden können. Es geht um Emotionen und Ängste und Vertrauensverlust; aber dies sind die härtesten Fakten, die es gibt!
Lassen wir uns nicht täuschen. Schon Rommel sagte: „Kein Plan überlebt die erste Feindberührung!“.
Einiges können wir durch gute Vorausplanung abdecken; vor allem gilt hier auch die asiatische Weisheit „Der Weg ist das Ziel“. Die systematische Beschäftigung mit denkbaren (!) Notfällen ist mit dem Mitführen einer Schwimmweste beim Hochsee-Segeln vergleichbar: Auch wenn der Notfall nicht eintritt, es beruhigt kolossal!
Bei aller Planung ist es wichtig, das Unternehmen - auch bei einer
Krise - auf Sichtweite zu steuern. Wie einst die Mississipi-Kapitäne, die trotz Flusskarten nach jeder Flussbiegung feststellten, wo ihre Dampfer noch genügend Wasser unter dem Kiel
fanden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen (auch in einer Krise): Allzeit mindestens eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!