Fundamental-Philosophie
D’où venons nous?
Que sommes nous?
Où allons nous?
Paul Gaugin 1897
Ich bin Animist und glaube fest daran, dass alles um uns herum beseelt ist. Und dass die "Entschwundenen" um uns
herum sind. Nur in einer anderen Sphäre, die wir nicht sehen können. Aber "da" sind sie schon.
Stellen wir uns doch mal vor, die Hefezellen im Gär-Fass hätten ein "Bewusstsein":
Sie können nicht realisieren, dass es außerhalb ihres Fasses noch ein anderes Universum gibt. Z.B. ein weiteres
Fass mit Hefezellen und zwischen den Fässern unsere Welt mit uns Menschen. Der Erkenntnis-Horizont der Hefezellen hört an der Wandung des Fasses auf. Und ab und zu sehen sie oben einen hellen
Schimmer und einen Schatten, wenn der Winzer das Spundloch öffnet.
Und wie stellen die Hefezellen sich Ihren "Schöpfer", den „großen Verursacher“ vor? Wahrscheinlich halten sie den Kellermeister für eine große Hefe-Zelle. Und was geschieht, wenn die Gärung zu
Ende ist und sie abgelassen werden? Wo kommen sie her und wo gehen sie hin?
Die Welt außerhalb des Fasses liegt außerhalb ihres Vorstellungs-Horizontes.
Genauso können wir das "Jenseitige" nicht begreifen.
Offensichtlich liegt es in der Struktur unseres Gehirns, dass sich die Menschen seit Urzeiten die gleichen Grundfragen stellen:
1. Wo komme ich her?
2. Wo gehe ich hin?
3.
Wie soll ich leben?
Die beiden ersten Fragen sind prinzipiell nicht zu beantworten.
Keiner weiß, wo wir eigentlich „herkommen“. Selbst die Wissenschaft kann letztendlich dieses Rätsel nicht lösen. Natürlich wissen wir, dass wir nicht als direktes Ebenbild Gottes aus Lehm
erschaffen wurden, wie es in der Genesis berichtet wird. Wir stammen alle vom ersten Einzeller -der Blaualge– ab, die vor 2 Milliarden Jahre auf der Erde „entstand“. Und die Erde bildete sich vor
4 Milliarden Jahren, 1 Milliarde Jahre nachdem die Sonne durch Zusammenklumpen von kosmischem Staub entstand. Aber weshalb das Ganze und zu welchem
Zweck?
Als Agnostiker ist mit bewusst, dass es dafür keine Erklärung gibt.
Also suche ich mir etwas aus, was mich beruhigt und angstfrei macht. Auf meiner website habe ich diese Idee unter dem Begriff „Herterich’s Rasiermesser“
geschildert.
Einen strafenden Gott gibt es sowieso nicht. Wenn es eine Entität gibt, die uns erschaffen hat, warum sollte sie
enttäuscht und böse sein, dass wir so sind wie wir sind? Warum bitten die Christen im Vaterunser-Gebet diesen „Vater“, dass er sie nicht in Versuchung führen solle? Welcher Vater führt denn seine
Kinder in Versuchung? Warum sollte der Schöpfer seine Geschöpfe „aufs Glatteis führen“ und bestrafen, wenn sie nicht perfekt sind?
Genauso wie sie sind, hat er sie konstruiert und gebaut.
Und wo gehen wir hin?
Es gibt 2 Möglichkeiten:
1. Nach dem irdischen Dasein ist NICHTS. Wir sind ein Fleisch-Computer. Und wenn
unser "Betriebs-System" gelöscht wird ist es weg! Wer glaubt denn, die gelöschten Dateien auf seinem Computer kommen in irgendeinen "Himmel" oder werden wieder neu erzeugt?
Leben ist "Ordnung" und Sterben ist "Chaos". Wie bei einem Puzzle: Wenn man es schüttelt, sind alle Teile noch vorhanden, aber das Bild (die Ordnung der Puzzle-Teile) ist weg.
Nach meinem Tod wird keines meiner Milliarden Moleküle verloren gehen und alle werden wieder verwendet. (Auch in meinem Körper sind mindestens 10.000 Moleküle aus dem Körper von Jesus oder
Mohammed)
2. Man
wird wiedergeboren in einer anderen Welt. Falls wir vor unserer jetzigen Existenz in einer anderen Welt waren, wurde unsere Erinnerung daran
„gelöscht“. Niemand kann sich an sein vorheriges Leben erinnern. Deshalb ist man auch nicht „wiedergeboren“, sondern eine neue Existenz!
Aber es ist nicht auszuschließen, dass wir in unserer nächsten Existenz in einer höheren Ebene diese Erinnerung behalten. Schön wäre es! Ich habe diese Gedanken in meiner website unter
http://helmuth-herterich.jimdo.com/selbstbestimmtes-leben-und-selbstbestimmtes-sterben/
angedacht.
Und nun zur 3. Frage:
Wie soll ich leben?
Letztendlich braucht man keinen „Kategorischen Imperativ“ und auch keine „10 Gebote“.
Die Goldene Regel genügt vollauf:
Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu!
Im Zweifelsfall wendet man den sogenannten Utilitarismus an.
Ein schwierig auszusprechendes Wort! Was heißt das?
Diese Philosophie wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Jeremy Bentham und John Stuart Mill entwickelt. Sie handelt nach der Maxime: „Handle so, dass das größtmögliche Maß an Glück entsteht!“ (Prinzip des maximalen Glücks bzw. engl. maximum-happiness principle). Oder aber –als Gegenpol des Glücks- der geringste Schaden.
Es kommt also nicht nur auf das Glück der handelnden Person allein an, auch nicht auf das Glück einer Gruppe, Gesellschaft oder Kultur, sondern auf das Glück aller von einer Handlung Betroffenen. Damit ist der Utilitarismus keine egoistische, sondern vielmehr eine altruistische Ethik.
Wie geht man vor?
Ich lege in Gedanken eine „Bilanzhülle“ um die Personen, die von meinen möglichen Handlungen betroffen sind. Und dann schätze ich ab, bei welchem Vorgehen innerhalb dieser Grenze das meiste „Glück“ bzw. das geringste „Unglück“ (Schaden) entsteht.
Ich habe das meiner 7-jährigen Enkelin Valeska so erklärt:
Darf man lügen?
Normalerweise sollte man nicht lügen (das ist die Goldene Regel. Valeska will ja auch nicht von den
anderen Leuten belogen werden!).
Aber, wenn man durch die Lüge ein großes Unglück vermeiden kann, dann darf man auch lügen.
Die Frage ist natürlich „was ist ein großes Unglück?“.
Wenn die Mutter sie fragt, ob sie die Vase heruntergeworfen hat und sie gibt das zu und bekommt Fernseh-Verbot, so ist das zwar für die kleine Valeska sehr unangenehm, aber kein großes Unglück!
Also muss sie die Wahrheitsagen.
Aber wenn der "Kinder-Entführer" (man verzeihe mir dieses makabere Beispiel!) an der Tür klingelt und fragt, ob Valeskas kleiner Bruder Junis da ist, weil er ihn entführen will, so darf sie sagen
„Nein, der ist noch im Kindergarten“. Obwohl Junis in der Wohnung ist und obwohl sie damit gelogen hat. Sie hat durch die Lüge ein großes Unglück verhindert.
Noch ein Beispiel, welches mich sehr beeindruckt hat:
Die erfolgreiche Rennfahrerin Clärenore Stinnes hatte sich während
ihrer berühmten 46.000 km langen Weltreise mit einem PKW (1927 bis 1929) in ihren Kameramann Carl-Axel Söderström verliebt. Die (Noch-)Ehefrau von Söderström
willigte in mit der Bemerkung: „Es ist besser, dass 1 Mensch unglücklich wird als das 3 Menschen unglücklich bleiben“ die Scheidung ein.
Es ist natürlich klar, dass man nicht einfach „Glück“ addieren und gegen „Unglück“ eins zu eins aufrechnen kann. Aber von der Idee her ist dieses Vorgehen ein praktikabler Denkansatz!
Oder ein weiteres Beispiel (nicht für meine Enkel; die würden das nicht verstehen!). Nicht für Lüge, sondern für den Extremfall:
Darf man töten?
Darf man den SS-Mann, der das KZ bewacht töten, um Tausend Häftlinge zu befreien?
Wenn man es nicht macht, werden sie alle umgebracht.
Tötet man den Wachposten, dann wird die Mutter oder die Frau oder die Kinder dieses Mannes traurig sein. Man hat
also (neben dem Tod dieses Mannes) einiges Leid erzeugt. Aber das Leid der Tausend Häftlinge, wenn sie nicht befreit werden, wäre viel viel größer!
Man wählt also (wie schon Platon schrieb) das „kleinere Übel“ aus. Und tötet notgedrungen diesen Mann!
Ein weiteres Beispiel, das vor kuzem die Gemüter bewegte:
Im Theaterstücks „Terror“ des Strafrechtlers und Schriftstellers Ferdinand von Schirach geht es um den Prozess,
der einem Major der Bundeswehr gemacht wird, weil er eine Passagiermaschine der Lufthansa abgeschossen hat. Entführt durch einen Terroristen aus dem Umkreis des IS, befand sie sich im Anflug auf
die vollbesetzte Münchner Allianz-Arena. Der Terrorist hatte gedroht, das Flugzeug in der ausverkauften Münchner Allianz Arena zum Absturz bringen. Der Pilot verhinderte das Attentat auf 70.000
Menschen, indem er 164 Menschen tötete (die allerdings, der Logik dieser Konstellation folgend, sowieso gestorben wären).
Darf man 164 Menschen töten, um 70.000 zu retten?
Der Jagdflieger steht wegen Mordes an 164 Personen unter Anklage.
Das Gericht steht vor einer schweren Entscheidung. Durfte der Kampfpilot Lars Koch eine Lufthansa-Maschine abschießen, um zu verhindern, dass ein Terrorist das Flugzeug auf die vollbesetzte Allianz Arena stürzen lässt?
Nach den Regeln des Utilitarismus gibt es 2 Handlungsmöglichkeiten:
1. Der Pilot macht nichts:
Dann sterben 70.000 plus 164 Unschuldige plus der Terrorist.
2. Der
Pilot schießt die Maschine ab:
Dann sterben 164 Unschuldige plus der Terrorist.
Er wählt das „kleinere Übel“ und rettet dadurch 70.000 Menschen.
Herr von Schirach und die Mehrzahl der bundesdeutschen Juristen sind jedoch der Überzeugung, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ein derartiges Vorgehen verbietet. Schwierig! Schwierig!
Ich komm, weiß nicht woher,
Ich bin und weiß nicht wer,
Ich leb, weiß nicht wie lang,
Ich sterb und weiß nicht wann,
Ich fahr, weiß nicht wohin:
Mich wundert, daß ich so fröhlich bin.
Martinus von Biberach † 1498